2743 Werdegang der Kisor-Zwillinge

Veröffentlichung der letzten Geschichtsbände von Thaddäus Podgorski. Darunter sind einige sehr detaillierte Beschreibungen der Geschichte regionaler Völker. Der Band über Kisor enthält Einzelheiten, die in keiner anderen Chronik verzeichnet sind. Woher Podgorski sein Wissen hatte, wurde nie geklärt.

Eine Zusammenfassung von Podgorskis TriVi-Band "Werdegang der Kisor-Zwillinge":

Die Sonne des Kisor Systems ist ein F1 Stern mit der 9,1-fachen Leuchtkraft Sols. Ihre Ökosphäre ist breit genug, um zwei Planeten aufzunehmen. Die beiden Planeten liegen in Entfernungen von 457 und 443 Millionen Kilometern, wobei anfangs nur Alpha, der äußere Planet bewohnbar war. Um Beta kreist ein atmosphärenloser Mond von 2000 Kilometer Durchmesser während Alpha keine Satelliten hat. Dem innersten Planeten fehlt die Kruste und der Schwermetallkern liegt frei. Der dritte Planet ist gegenläufig. Weiter von der Sonne entfernt finden sich noch sieben Planeten, davon sechs Gasriesen und Eisriesen. Altur, der erste Gasriese mit 190.000 Kilometer Durchmesser ist doppelt beringt und ist von Beginn der Zivilisation an bis heute ein Objekt religiöser Verehrung.

Bei einem Alter von 2,5 Milliarden Jahren ist die Sonne schon am Ende ihrer Zeit auf der Hauptreihe angekommen und wird sich in etwa 100 Millionen Jahren zu einem roten Riesen entwickeln. Da das Planetensystem auch nicht älter ist als der Zentralstern, sind seit der Abkühlung Alphas und Betas erst wenige hundert Millionen Jahre vergangen. Es war also noch nicht genug Zeit zur Entstehung von höherem Leben, geschweige denn von intelligenten Wesen. Das spricht für einen fremden Ursprung des Lebens auf Kisor-Alpha. Ein anderer Hinweis auf einen externen Ursprung war die Tatsache, dass nach Fossilienfunden vor ca. zehn Millionen Jahren plötzlich Pflanzen und Tiere gleichzeitig aufgetreten sind.

Das Leben wurde also von außerhalb des Planetensystems nach Alpha gebracht. Als Kisors Wissenschaftler zu dieser Erkenntnis gelangt waren, begannen sie nach dem Ursprung zu suchen. Das war keine leichte Aufgabe, denn in zehn Millionen Jahren hatten sich die Formen auf Kisor und am Ursprungsort in verschiedene Richtungen entwickelt. Man fand Ähnlichkeiten und Verwandtschaften mit mehreren Planeten, darunter Syrak und Solberg 86 III. Es kristallisierte sich eine Häufung im Sektor Syrak heraus. Der Ursprungsort bleibt jedoch bis heute im Dunklen.

Ein unbekanntes Volk hatte also vor etwa zehn Millionen Jahren die Kohlendioxid-Atmosphäre Alphas in eine Sauerstoffatmosphäre umgewandelt und eine reiche Flora und Fauna angesiedelt. Dabei war auch ein vielversprechender warmblütiger, eierlegender und säugender reptilienähnlicher Primat, der schon ab und zu aus den Sumpfgebieten hervorkam, um in den Steppen zu jagen.

Fünf Millionen Jahre später hatte ein Zweig dieser Primaten wesentlich an Gewicht und Körpergröße zugenommen. Er warf mit erstaunlicher Treffsicherheit Steine nach seiner Beute und erhob sich auf die Hinterbeine, um über das hohe Steppengras zu blicken. Zu den sechsgliedrigen Greifhänden bildete sich ein größeres Gehirn aus und die Not der unzureichenden körperlichen Fähigkeiten führte zu einer Verfeinerung der Jagdmethoden. Zum Bau von raffinierten Fallen gebrauchte das Wesen vor einer Million Jahren Werkzeuge und als Verständigungsmöglichkeit eine Unmenge von röhrenden Lauten, die sich langsam zu einer Sprache formierten.

Als der Doppelkontinent, auf dem die Primaten lebten, getrennt wurde, entwickelten sich beide Zweige verschieden fort. Im Osten entstand ein nach vorne gebeugt gehendes Wesen mit einem starken Stützschwanz. Auf dem Westkontinent, der besonders stark von Raubtieren bevölkert war, wurde der Primat zum Pflanzenfresser und entwickelte sich zurück zu einem starken Läufer mit kleinem Gehirnvolumen.

Vor 50.000 Jahren gab es schon die heutigen Kisori. Sie setzten über auf den Westkontinent und benutzten ihre laufstarken, aber nicht intelligenten Vettern als Reittiere.

Als Kisor etwa 19.000 vor unserer Zeitrechnung (v.u.Z.) von einem unbekannten Volk entdeckt wurde, war gerade die Eisenzeit angebrochen. Ein Landesteil eignete sich ziemlich schnell Fähigkeiten der Fremden an, besonders was die Waffentechnik betraf. 150 Jahre nach dem ersten Kontakt entschied dann der lokale Herrscher, dass die Zeit reif wäre. Er überrollte die in der Eisenzeit verbliebenen Nachbarvölker mit einer mit Strahlenwaffen ausgerüsteten Armee und errichtete ein Königreich auf dem Kontinent, der später einmal das "Land aller Gilden" genannt werden würde.

Diesem Herrscher folgten gerechte Könige, die den neuen Reichtum und die Modernisierungen gleichmäßig auf den ganzen Kontinent verteilten. Nach weiteren 600 Jahren wurde der ganze Planet industrialisiert und innerhalb von 500 Jahren war die Technik reif zur interplanetaren Raumfahrt. Die Technologie entwickelte sich rasant weiter. 1300 Jahre nach dem ersten interplanetaren Flug begann die interstellare Kolonisierung.

2500 Jahre nachdem Kisor in der Eisenzeit entdeckt worden war, kolonisierten die Staaten Alphas die ersten Planeten der Nachbarsysteme. 600 weitere Jahre blühte das straff geführte Kolonialreich. Dann wurden die Unabhängigkeitsforderungen der inzwischen hochindustrialisierten Kolonien immer lauter. Es kam nach 50 Jahren zum Krieg. Der Krieg endete mit einer fast totalen Zerstörung der Kolonien. Dieses Ereignis prägt Kisor offensichtlich bis heute. Kisor hatte seit dieser Zeit keine Kolonien mehr und die Kisori, die für die Gilden auf anderen Planeten leben, sind für die Bevölkerung des Stammplaneten Kisori zweiter Klasse. Entsprechend werden Menschen, die irdische Kolonien bewohnen, nicht als Menschen von der Erde, sondern als eigenständige Völker angesehen. Als Mahnmal an diesen Bruderkrieg bleibt eine Sphäre von zerbombten und verseuchten Planeten um Kisor.

Binnen 400 Jahren stieg Kisor zu einem Kategorie-12 Planeten auf. Es gab eine Schar von Vasallenplaneten fremder Völker. Kisor selbst wurde durch einen Bund seiner Nationen regiert. Als der erstarkte Vasall Uidor einen Krieg gegen Kisor führte und gewann, wurde das Vasallenreich Kisors in einen Bund seiner ehemaligen Untertanen umgewandelt. Der Bund hielt jedoch nur 150 Jahre, dann wurde er wieder von Kisor aus regiert. Nachdem Kisor seine Macht in weiteren 250 Jahren wieder gefestigt hatte, rief es die Gründung eines Reiches aus.

Über die erste Blüte des Reiches ist wenig bekannt. Man weiß aber, dass während dieser 3700 Jahre dauernden stabilen Phase der innere Planet Kisor-Beta den Verhältnissen Alphas angepasst wurde.

Dem darauffolgenden Verfall des Reiches folgte nur 250 Jahre später ein erneuter Aufstieg des zweiten Reiches (des sogenannten goldenen Reiches) über dessen bewegte Geschichte viele Aufzeichnungen gefunden wurden. Dieser Zeitabschnitt wurde nach ca. 2600 Jahren beinahe auf dem Höhepunkt des goldenen Reiches durch die Balsachen abrupt beendet.

Die Balsachen waren ihrerseits aus ihrem Raumsektor, einem Gebiet des Sagittarius-Arms der Galaxis vertrieben worden und suchten in einer völkerwanderungsähnlichen Bewegung eine neue Heimat. Nach kisorischer Geschichtsschreibung taten sie dies mit verheerenden Auswirkungen für die ansässigen Völker. Das Reich Kisors kämpfte tapfer und blockte die Wanderung der Raumschiffschwärme ab. Die Anstrengungen über mehrere Jahrzehnte waren jedoch für Kisor zu groß gewesen, um sein Reich fest im Griff zu halten. Dazu kam noch, dass sich einige Planeten unter Kisors Schutz gut entwickelt hatten und eigene Machtzentren bildeten. Das goldene Reich brach innerhalb von 100 Jahren auseinander.

400 Jahre währte das Interregnum. Kein Planet wurde stark genug, um den Raumsektor zu befrieden, aber viele versuchten es und vergrößerten damit das Chaos. Kleinkriege wurden ausgetragen und Planeten verwüstet oder von Neobarbaren geplündert. Atomflammen loderten auf zu einem pyrotechnischen Feuerwerk, das Milliarden Wesen nicht sehen konnten, weil sie ein Teil der Flammen waren. Es grassierten Hungersnöte und Seuchen, weil die Mittel fehlten, um sie zu bekämpfen, während tausende kleiner Könige und Diktatoren in den Ruinen Hof hielten.

Das Ende dieses dunklen Zeitalters kam in Gestalt des Solemischen Reiches. Dieses Reich hatte sich innerhalb von 9000 Jahren von mehreren Systemen in 2500 Lichtjahren Entfernung ausgebreitet und dominierte den hiesigen Sektor immerhin 3700 Jahre. Bis zum endgültigen Verschwinden vergingen noch einmal 2000 Jahre. Damit zählt das Solemische Reich zu den größten und stabilsten der bekannten Geschichte. Der Grund für seinen Erfolg war, dass das Reich nicht, wie fast alle anderen, auf ein Volk, sondern auf eine Idee zurückzuführen war. In jedem Sektor gab es wenigstens ein Volk, das diese Idee aufnehmen und umsetzen konnte und damit zum Vertreter des Reiches im umliegenden Sektor wurde. Das Solemische Reich war also ein Bund vieler mächtiger Völker mit ähnlicher Denkweise.

Wie so viele friedliche Reiche endete auch das Solemische Reich durch Gewalt, nämlich den Krieg der Mercatos, die völlig überraschend ein Handelsimperium gründeten und dabei keine andere militärische Macht zuließen. Dies ist der einzige bekannte Fall, dass Mercatos überhaupt selbst kämpften. Trotz der gewaltigen Verbreitung der Mercatos (vermutlich ein Großteil der Milchstraße), erreichte das Mercato-Imperium nicht einmal die Größe des Solemischen Reiches.

Für die beiden Kisor Planeten ging die Übernahme in das Handelsimperium fast unbemerkt vonstatten. In den 500 Jahren, die Kisor dem Handelsimperium angehörte, entwickelten sich Alpha und Beta zu Kategorie-13 Planeten. Schließlich waren sie reich genug, um sich aus dem Handelsimperium freizukaufen. Sie blieben zwar von ihrer Lage her in das Mercato-Imperium eingebettet, waren aber unabhängig und mussten keine Abgaben mehr leisten.

Ein Relikt aus der Zeit im Handelsimperium war die Monarchie, die sich aus dem Hof des eingeborenen Statthalters für die Mercatos entwickelt hatte. Für wenige Jahre führten die Kisor-Zwillinge ein angenehmes Leben, da sie einerseits unabhängig waren, andererseits aber durch ihre Lage vor Kriegen und Überfällen geschützt waren, bis plötzlich alle Mercatos den Raumsektor verließen und das Handelsimperium aufgaben. Das Imperium verschwand über Nacht und ließ tausende ungeschützter Planeten zurück.

Mehrere Überfälle anderer Völker schwächten die Kisor-Planeten zu sehr als dass sie eine wirksame Verteidigung gegen Angriffe von außen aufbauen konnten. Die letzte Plünderung hinterließ zwei völlig zerstörte Planeten. Die Angreifer hatten alle technischen Anlagen auf den Planeten und im Orbit und alle Großstädte mit 90% der Bevölkerung zerstört.

Innerhalb weniger Generationen sank die Technik auf einen Stand im Mittelalter, während die Bevölkerung durch Hungersnöte und Seuchen bei fehlender medizinischer Versorgung auf etwa 30 Millionen zurückging. Design-Seuchen aus der Hightech-Vergangenheit trugen wesentlich zu diesem starken Bevölkerungsschwund bei. Auf Alpha sank die Bevölkerung im Minimum sogar auf nur 50.000 Individuen.

Die Vergangenheit lebte zwar als Ansporn weiter in den Legenden und es gab viele Versuche alte Anlagen wieder in Betrieb zu nehmen, aber ohne Rohstoffvorkommen war ein neuer Anfang schwer, denn die Bodenschätze waren weitgehend ausgebeutet und fossile Rohstoffe hatte es nie gegeben.

Es dauerte 3000 Jahre, bis die Technik auf Kisor-Beta weit genug fortgeschritten war, um ein Interplanetarschiff zu bauen. Die Kisori besiedelten wieder ihr Sonnensystem. Nach weiteren 200 Jahren brach das energetische Zeitalter an und noch einmal 700 Jahre später verließ der erste langsame Raumkrümmer wieder das System.

Eineinhalb Jahrhunderte später, die Kisori hatten gerade wieder Anschluss an die interstellare Gesellschaft gefunden, erschien eine Raumflotte von Interia über den Kisor-Zwillingen und verkündete, dass sie soeben Bürger des Interianischen Imperiums geworden wären.

Wie schon mehrmals in der Geschichte zeigte es sich auch hier wieder, dass sich die Kisor-Planeten unter dem friedenwahrenden Schutz eines Imperiums hervorragend entwickeln. Von der Kategorie 18 bei der Aufnahme in das Imperium stiegen die Kisor-Planeten auf bis zur Kategorie 13. Nachdem ihnen durch die 23. Strukturreform des Interianischen Imperiums das Regionalzentrum des Imperiumssektors übertragen worden war, beherrschten die Kisori ein eigenes kleines Reich innerhalb des Imperiums.

Neben der Steigerung des Einflusses durchlief Kisor die gesellschaftliche und politische Entwicklung, die zu den heutigen Verhältnissen führte. Die Executive wurde immer dominanter und es entstand ein vererbbares Präsidentenamt, so dass es niemanden wunderte, als die Monarchie ausgerufen wurde. Die Monarchie war aber entgegen allen Erwartungen sehr schwach und verbrauchte in 150 Jahren ca. 50 Könige und Königinnen aus mehreren Familien. Man einigte sich schließlich auf eine gemeinsame Regierung der Adelsfamilien unter einem aus ihrem Kreis gewählten Herrscher.

Die Wirtschafts- und Handelsorganisationen der Oligarchen absorbierten alle unabhängigen Unternehmen des Mittelstandes und wurden zu den ersten Gilden. Schließlich war die gesamte Wirtschaft einschließlich des Außenhandels in der Hand von ca. 30 Gilden. Die Gilden wurden zu den beherrschenden Handelsorganisationen des Sektors, während ihr Einfluss auf Kisor selbst durch die Inosch, den Rat der Gilden auf Alpha, gefestigt war.

Die Landfläche Alphas und Betas wurde zwischen den Gilden aufgeteilt und das Durcheinander der Besitzungen, das noch von der Assimilation der Wirtschaft herrührte, beseitigt. Ein Kontinent wurde zum "Land aller Gilden" erklärt. Dort residiert der "Vater der Kisori", der immer aus der ersten Gilde gewählt wird, die hauptsächlich aus Geistes- und Naturwissenschaftlern besteht, aber kein eigenes Land besitzt.

Nach dem Rückzug des Interianischen Imperiums wurden die eigentlich starken Kisor-Planeten bei einem Überfall teilweise verwüstet. Sie erhielten und beschützten aber trotzdem ihren Einflussbereich.

Auch die Mercato-Schiffe tauchten wieder im Herrschaftsbereich Kisors auf, konnten aber wegen den seit langem ansässigen Gilden nicht Fuß fassen. Die Mercatos versuchten sich in der Sogwelle der sich ausbreitenden Menschheit zu etablieren, wurden aber auch von der Koalition durch die Protektionsgesetze in ihren Möglichkeiten so stark einschränkt, dass sie den Sektor wieder verließen.

Kisor beobachtete den Aufbruch der Menschheit mit Wohlwollen, später aber auch mit wachsender Besorgnis, die, wie sich herausstellte, berechtigt war.

Zeittafel nach solarer Zeitrechnung:

-19000 In der Eisenzeit kontaktiert

-19100 Einigung des Heimatkontinents

-18500 Beginn der Industrialisierung

-18000 Beginn der interplanetaren Raumfahrt

-16700 Interstellarkolonisierung

-16100 Unabhängigkeitsforderungen der Kolonien

-16000 Kolonialkrieg

-15600 Kategorie 12, Vasallenreich

-15500 Verlust des Uidor Kriegs

-15400 Kisor Zentrum des Bundes

-15100 Gründung des ersten Reiches

-13900 Ökoformung Betas

-11400 Verfall des Reiches

-11200 Zweites (goldenes) Reich

-8600 Einfall der Balsachen

-8400 Zerfall des zweiten Reiches, Interregnum

-8000 Aufnahme in das Solemische Reich

-4300 Übergang zum Mercato-Imperium

-3800 Freikauf von Abgaben

-3700 Ende des Mercato-Imperiums und Plünderung

-3600 Beginn des kisorischen Mittelalters

-500 Industrialisierung

-40 Interplanetarflug

+180 Energetisches Zeitalter

+900 Interstellarflug

+1050 Aufnahme in das Interianische Imperium

+1650 Interianisches Regionalzentrum

+1900 Monarchie

+2050 Oligarchie

+2100 Erste Gilden

+2220 Landreform der Gilden

+2700 Rückzug des Interianischen Imperiums

+2780 Ende des Gildesystems

+2860 Imperialismus