2247 Raumverschiebung durch Manipulation der Raumzeitmetrik

Eine Auswahl von Schlagzeilen zum größten Durchbruch des Jahrhunderts:

- "Quantensprung: Wissenschaftler falten den Raum" - Lagrange Times, allgemeiner Nachrichtenkanal.

- "Physiker erschaffen Warp-Blase" - Shackleton Metro, Newsfeed.

- "Mit der Raumzeitverschiebung kommt die Menschheit interstellaren Reisen näher" - Der Anhalter, Magazin für kommerzielle Raumfahrt.

- "Raumschiff Udyama wird Realität" - That's No Moon, SciFi-Magazin.

- "Raumzeitblase ebnet den Weg zu galaktischen Reisen" - Giga Xinxi, Buzz-Generator.

- "Revolution in der Physik: negative Masseteilchen verbiegen die Raumzeit" - The Bubble, KI-gesteuerter investigativer Journalismus, der riesige Datensätze analysiert, um Geschichten zu enthüllen.

- "Das Universum steht uns offen: Wissenschaftler verzerren Raum-Zeit in historischem Experiment" - Elektrische Schafe, unterbewusster Traumnachrichtenfeed und Bildungsprogramm.

- "Nobelpreis für Raumzeitblase" - RL-Reporter, ein Nachrichtendienst in VR-Welten, der über Ereignisse in der realen Welt berichtet (RL: reales Leben).

- "Science-Fiction wird Real: Echte Raumblase erschaffen" - AndClickTheBellIcon, Video-Nachrichtensprecher im Retro-Stil, ein so genannter Tuber.

- "Erster kontrollierter Raumzeitsprung im Weltraumlabor" - Der Raum-Teleoperator, ein BotOps-Spezialmagazin der Hikikomori Virtual Nagaya Vereinigung.

- "Durchbruch in der Raumzeit-Manipulation - Überlichtschnelle Reisen bald Realität" - Benutzer "You talkin to me?" auf TauChan, einer Greynet-Newsgroup.

- "Quantenspiegel und negative Masse: Die Zukunft der Raumfahrt" - IEEE Gravity SIG, populärwissenschaftlicher Unterkanal des Ingenieursverbands.

- "Ein kleiner Sprung für eine Blase und ein großer Schritt für die Quantenphysik" - Alles-Q, Subgreen (Newsgroup) auf Greenit.

- "Raumzeitblasen steuern mit Quantenverschränkung" - TunnelDefect, Magazin für Quantencomputer-Bastler.

- "Warp-Antrieb in Sicht: Wissenschaftler machen riesige Fortschritte in der Kontrolle der Raumzeit" - Standard Disclaimer, ein Mega-Slinker.

Die Entwicklung von einer physikalischen Theorie zum Durchbruch des Jahrhunderts:

Mitte des 22. Jahrhunderts wird die Spin-Graphen-Quantenraumzeit, die SGQS-Theorie (SGQS = Spin Graph Quantum Spacetime) formuliert. SGQS löst die Unvereinbarkeit von Quantenmechanik und allgemeiner Relativitätstheorie. Die Theorie ebnet damit den Weg zur bedeutendsten wissenschaftlichen Errungenschaft des Jahrhunderts.

In den 70er Jahren des 22. Jahrhunderts werden dann Quantenspiegel entwickelt, die durch schwache Symmetriebrechung virtuelle Teilchenpaare trennen. Dabei entstehen kurzlebige Teilchen mit effektiv negativer Masse. Der Prozess erzeugt einen partiellen Ereignishorizont, der nur für bestimmte Teilchen gilt. Bisher waren virtuelle Teilchen mit negativer Masse eher eine theoretische Kuriosität. Jetzt können sie praktisch benutzt werden und die naheliegende Anwendung ist die Krümmung der Raumzeit auf sehr kleine Skalen.

In den folgenden Jahrzehnten gibt es weitere experimentelle Fortschritte: die Technologie der lokalisierten Higgs-Feldverschiebung (LHFS) stabilisiert die Teilchen mit negativer Masse über längere Zeiträume. Außerdem gelingt es mit Quantenverschränkung, einzelne Teilchen über ihren jeweiligen Ereignishorizont hinweg zu steuern.

Bei der Metric Field Research Facility (MFRF), einer Einrichtung für Experimente mit Raumzeitmetrik im weiten Erdorbit, laufen neue physikalische Theorien und aktuelle Technologien zusammen. Die Einrichtung ähnelt einem riesigen Teilchenbeschleuniger. Dort wird eine Maschine gebaut, die Raum in kleinen Bereichen krümmen kann. Tausende von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern arbeiten mit Teilchenbeschleunigern, Speicherringen und Fabriken für exotische Teilchen. Mehrere große Fusionsreaktoren versorgen die energieintensiven Anlagen über ein Energie-Hohlleiternetz.

Im Jahr 2247 gelingt am MFRF die erste kontrollierte Raumzeitverschiebung. Die Bewegung im Femtometermaßstab – das sind nur Bruchteile eines Atomkerns – ist eine praktische Anwendung der Theorie der Spin-Graphen-Quantenraumzeit. Das Experiment erzeugt eine Raumzeitblase und verschiebt sie relativ zum umgebenden Raum.

Der Nobelpreis geht in diesem Jahr an:

- dy leitendy Wissenschaftly des MFRF-Projekts,

- die theoretische Physikerin, die eine experimentell testbare Lösung der SGQS-Theorie gefunden hatte, und an

- den Manager eines Vorläuferexperiments, in dem viele für die erste Raumverschiebung verwendeten Technologien entwickelt wurden.

Für den Durchbruch des MFRF-Experiments mussten viele Probleme gelöst werden. Die Raumzeitblase ist zwar ein wissenschaftliches Wunder, aber anfangs ist sie instabil. Die Verschiebung der mikroskopischen Raumblase benötigt eine gigantische Energiemenge. Und sobald die Blase wieder freigegeben wird, kehrt der umschlossene Raum an seine ursprüngliche Position zurück. Dabei wird die in der gekrümmten Raumzeit gespeicherte Energie frei. Diese Instabilität führt zu mehreren großen Explosionen. Dem begegnet man durch den Bau von Einweg-Experimenten, eine langsame und teure Methode.

Im Jahr 2287 bringt die Anwendung der isochoren Skalierung von Grundarfjördur-Zilberstein eine weitere große Verbesserung. Mit Grundarfjördur-Zilberstein gelingt es, die Raumzeitverschiebung dauerhaft zu machen. Grundarfjördur und Zilberstein bekommen dafür einen weiteren Nobelpreis.

In einer parallelen Entwicklung kann das Volumen der gekrümmten Raumzeit deutlich reduziert werden, während gleichzeitig das eingeschlossene Volumen wesentlich vergrößert wird. Zum Beginn des 24. Jahrhunderts erreichen die künstlichen Raumblasen makroskopische, das heißt, mit bloßem Auge sichtbare Größenordnungen: von Nanometern zu einigen Metern innerhalb 40 Jahren.

Trotz dieser Fortschritte ist der Weg zur praktischen Anwendung noch weit. Die größte Herausforderung besteht darin, dass die Raumzeitblase von innen heraus erzeugt und gesteuert werden muss, damit sie als Antrieb für Raumschiffe dienen kann. Diese Weiterentwicklung braucht weitere sechs Jahrzehnte und insgesamt dauert es mehr als 100 Jahre, um aus dem Demonstrator der Raumverschiebung ein einfaches Antriebssystem zu machen.

Diese ersten reaktionslosen Antriebe nach dem Prinzip gekrümmter Raumzeit sind noch viel langsamer als die Lichtgeschwindigkeit. Es sind riesige energiehungrige und empfindliche Konstruktionen. Sie sind anfällig für Störungen durch die Gravitation naher bewegter Massen und ihren fraktal strukturierten Konverterflächen werden schon von den kleinsten Teilchen im Raum beschädigt: von Mikrometeoriten, aber auch von den Eisenkernen der kosmischen Strahlung. Die Wartung dieser Antriebe ist aufwändig und mit langen Ausfallzeiten verbunden.

Trotzdem ist der Erfolg von 2247, die erste künstliche Raumzeitverschiebung der Menschheit, ein wichtiger Durchbruch auf dem Weg zu unkonventionellen, reaktionslosen – und irgendwann auch überlichtschnellen – Raumschiffantrieben.

Im Laufe eines weiteren Jahrhunderts erreichen Raumkrümmer – scheinbare – Geschwindigkeiten im Prozentbereich der Lichtgeschwindigkeit. Gleichzeitig wächst ihre Zuverlässigkeit und die Kosten sinken. Und dann, mehr als 200 Jahre nach der ersten mikroskopisch kleinen Raumzeitverschiebung, gewinnt das erste von Menschen gebaute Raumschiff das Rennen gegen sein eigenes Licht.