2333 Neuer Raumschiffantrieb durch metrische Impulsverstärkung

KASEI (Kasei Advancements in Spacetime Engineering Institute), das "Mars-Institut für Fortschritte in der Raumzeit-Technik", entwickelt ein neuartiges Raumschiffantriebssystem, das auf dem Prinzip der metrischen Impulsverstärkung basiert. Der Begriff "metrisch" bezeichnet in diesem Fall eine aufwändige Methode zur Krümmung des Raums auf kleinen Skalen mithilfe von Fraktalen, Quantenspiegeln und virtueller exotischer Materie.

Dieses System verkürzt die Reisezeiten zwischen den Planeten deutlich. Das Versuchsschiff schafft die kürzeste Mars-Jupiter-Strecke in nur 24 Tagen, während die besten gepulsten Fusionstriebwerke für die gleiche Strecke mehrere Monate benötigen. Dadurch kommt das Jupiter-System in die Reichweite für wirtschaftlichen Austausch mit dem Mars und der Asteroidengürtel rückt deutlich "näher" an den cis-lunaren Raum zwischen Erde und Mond heran.

Schon mehr als 100 Jahre zuvor, am Beginn des 23. Jahrhunderts, gelang die erste Raumkrümmung mit metrischen Mitteln, also ohne riesige Massen. Dieser Durchbruch zeigte, dass es möglich ist, winzige Raumzeitdeformationen künstlich zu erzeugen. Im Lauf des 23. Jahrhunderts schritten die Forschungen voran: zunächst wurde ein mikroskopisch kleines Stück Raum verschoben (2247) und später sogar dauerhaft versetzt (2271).

Zum Ende des Jahrhunderts entwickelten Wissenschaftler eine Anlage zur kontrollierten Bewegung mikroskopischer Raumfalten. Das Metric-Track-Experiment war gewissermaßen eine gravitative "Railgun" für Mikro-Raumfalten. Es öffnete den Weg zu praktischen Anwendungen.

Das Fernziel dieser Forschungen war schon immer die Entwicklung eines reaktionslosen Antriebs auf der Basis von Verschiebungen der Raumzeit. Mit diesem Prinzip könnte man dann möglicherweise sogar (scheinbar) Überlichtgeschwindigkeit erreichen.

Der jetzt entwickelte neue Raumschiffantrieb durch metrische Impulsverstärkung ist eine Parallelentwicklung. Er basiert auch auf der künstlichen Verschiebung von Raumzeit, nutzt jedoch die metrische Technologie, um die Effizienz eines klassischen Raumschiffantriebs zu verbessern, statt ein Raumschiff in einer Warpblase zu versetzen.

Der Kern des Impulsverstärkungsantriebs ist ein Generator für virtuelle Teilchenpaare, die durch ihre entgegengesetzten effektiven Massen ein fraktales raumartiges Gitter mikroskopischer Raumzeitdeformationen erzeugen. Diese Mikro-Raumfalten können große Mengen an Energie und Impuls speichern. Die Impulsverstärkung kommt dadurch zustande, dass herkömmliche Reaktionsmasse – typischerweise von einem klassischen Fusionsantrieb – in die Mikro-Raumfalten eingeschlossen und dann in einem Metric-Track beschleunigt wird. Wenn die Raumfalten den Beschleuniger verlassen und kollabieren, übertragen sie ihren Impuls auf die enthaltene Reaktionsmasse. Das Timing muss auf Pikosekunden (ein Billionstel einer Sekunde) genau abgestimmt sein, damit der verstärkte Impuls das Schiff beschleunigt.

Eine der auffälligsten Eigenschaften des neuen Antriebs ist der enorm hohe Energieverbrauch im Vergleich zu klassischen Fusionstriebwerken. Während bei aktuellen gepulsten Fusionstriebwerken laserinduzierte Explosionen durch eine Stoßplatte in Impuls umgewandelt werden, erfordert die Methode der metrischen Verstärkung, dass Energie durch die Systeme des Schiffes fließt, um die metrischen Komponenten des Antriebs zu betreiben. Dieser Ansatz ist deshalb nicht nur eine Innovation der metrischen Technologie, sondern auch ein ebenso großer Schritt im Energiemanagement.

Weil das Versuchsschiff selbst nicht genügend Energie erzeugen kann, wird es bei den ersten Tests (ab 2320) aus der Ferne mit Energie versorgt (Beamed Energy). Für den langen Testflug zwischen Mars und Jupiter muss das Schiff aber autark gemacht werden. Dafür werden zusätzliche Fusionsreaktoren installiert und die erste Generation der metrischen Subsysteme durch effizientere Versionen ersetzt. Zwei Jahre später wird dann die dritte Generation dieser Systeme installiert, die schon eine kleine Nutzlast zulässt. Kurz darauf wird das Versuchsschiff leider für den berüchtigten "Jupiter-Raub" gestohlen und nach einer dramatischen Folge von Ereignissen letztlich zerstört (siehe unten).

Mit der metrisch verbesserten Antriebstechnologie beginnt ein neues Zeitalter des interplanetaren Fernhandels. Jupiter, das innere System, einschließlich des cis-lunaren Raums, des Mondes und des Mars, die Jupiter-Trojaner und sogar das Saturn-System werden wirtschaftlich miteinander verbunden. In der Folge dieser neuen ökonomischen Möglichkeiten entsteht Mitte des 24. Jahrhunderts die Theorie des "Transorbitalen Ausgleichs", ein Konzept zur Etablierung stabiler interplanetarer Wirtschaftsbeziehungen trotz stark variierender Reisezeiten aufgrund der Orbitalmechanik.

Die verkürzten Reisezeiten ermöglichen auch interessante wissenschaftliche Missionen. Reisen zum Neptun, in den Edgeworth-Kuiper-Gürtel und zur Scattered Disc werden nun möglich, vor allem für wissenschaftliche Zwecke. Die Integration der äußeren Planeten in die interplanetare Wirtschaft liegt noch in der Zukunft.

Die anderen interplanetaren Mächte sind über die neue Entwicklung informiert, denn das Projekt ist nicht geheim. Die Forschungseinrichtungen befinden sich für alle sichtbar im Mars-Orbit. Die Forschung wird zwar vom KASEI der "Republik Japan auf dem Mars" geleitet, aber es gibt viele Partnerorganisationen auf dem Mars und im ganzen System. Das entwickelte Know-how liegt bei den beteiligten Wissenschaftler/innen der Partnerorganisationen.

Beim Lagrange-5 O'Neill-Cluster Gemini wird ebenfalls an metrischer Technologie gearbeitet. Der Fokus liegt dort auf der Entwicklung eines reaktionslosen und potenziell überlichtschnellen Antriebs. Die Wissenschaftler von Gemini und einige andere Forschungszentren im Sonnensystem könnten mit entsprechendem Aufwand die KASEI-Ergebnisse reproduzieren.

Es gibt zudem einen wirtschaftlichen Grund, die Forschung öffentlich zu betreiben. Die Mars-Republiken können die lange und teure Entwicklung nicht allein durch spätere Handelsvorteile finanzieren. Die erforderlichen Investitionen übersteigen bei weitem die finanziellen Möglichkeiten des Mars. Um die enormen Entwicklungskosten zu refinanzieren, muss die Technologie an andere Mächte und kommerzielle Betreiber/innen lizenziert werden.

Aus all diesen Gründen besteht keine Gefahr, dass die neue Technologie zu politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Spannungen zwischen interplanetaren Mächten führt. Vielmehr kann sie als gemeinsame Anstrengung der interplanetaren Zivilisation betrachtet werden.

Trotzdem hat die neue Antriebstechnologie Folgen für den militärischen Bereich. Sie ermöglicht Einsätze über die Entfernung von mehr als einer astronomischen Einheit (ein Erdbahnradius) und verändert damit die strategische Kalkulation vieler Systemmächte. Vorher lag nur das innere System in Reichweite von Raumüberlegenheitskreuzern. Die großen Entfernungen zu Jupiter und seinen Trojanern begrenzten die Möglichkeiten für schnelle Einsätze. Da die metrische Impulsverstärkung die Reisezeiten nun von Monaten auf Wochen reduziert, werden Militäreinsätze auch über große Entfernungen möglich – so wie man im 20. Jahrhundert atombetriebene Flugzeugträger auf die andere Seite der Erde entsenden konnte.

Metrische Technologien stoßen auch auf Widerstand und Skepsis. Bei der Herstellung und beim Betrieb dieser Antriebe sind zwar keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten, aber einige Wissenschaftler befürchten, dass die Raumschiffe Spuren von Raumzeitdeformationen hinter sich herziehen, die die Struktur des Raums selbst dauerhaft schädigen könnten. Diese Theorien werden kontrovers diskutiert, wobei die Einschätzungen von "pseudowissenschaftlich" bis "bahnbrechend innovativ" reichen. Auf dem Mars und im Mars-Orbit gibt es Proteste und sogar Drohungen gegen die Forschungseinrichtungen. Allerdings gibt es trotz vieler Ankündigungen keine wissenschaftlich überprüfbaren Ergebnisse, die auf langfristige Schäden für die Raumzeitstruktur hindeuten.

Der Jupiter-Raub

Zwei Jahre später, im Jahr 2335, wird das Versuchsschiff, das die erste impulsbeschleunigte Reise zum Jupiter unternommen hatte, entführt. Anschließend nutzen die Diebe das Schiff, um streng geheime Technologie zu stehlen, die heute in der Öffentlichkeit als der "Quantennexus" bekannt ist.

An der Spitze der Operation steht die Hackerin Aya Nakamura. Sie stellt ein kleines Team von Spezialisten zusammen: Derek "Gearhead" Chen, ein genialer Ingenieur für metrische Antriebe beim KASEI, und Zara El-Hashem, eine Meisterin im Social Engineering mit besonderem Talent für Memetik.

Der erste wichtige Schritt des Teams ist die Entführung der "Helios Streaker", des hochmodernen metrisch beschleunigten Testschiffes, das an der KASEI-Forschungsstation in der Marsumlaufbahn angedockt ist. Aya verbringt Wochen damit, in die Netzwerke von KASEI einzudringen, um die Sicherheitssysteme der Orbitalstation zu erkunden. Als KASEI-Inspektoren getarnt, gelangt das Team mit einem routinemäßigen Shuttle zur Orbitalstation und dort an Bord der Helios Streaker. Während Derek die metrischen Antriebssysteme, die er selbst entworfen hatte, in Betrieb nimmt und Aya die Andockklammern löst, sorgt Zara durch Ablenkungsmanöver für Verwirrung. In einer gewagten Flucht steuert das Team das Versuchsschiff aus der Station und lässt überraschte KASEI-Mitarbeiter/innen zurück.

Das eigentliche Ziel des Teams ist das "Jovianische Wissenschaftsinstitut" des Ganymed-Direktorats. Dort wird Gerüchten zufolge eine revolutionäre Technologie entwickelt, die alle Verschlüsselungen brechen kann. Das Team ist von Kaseikuza, einer marsianischen Untergrundorganisation, beauftragt, in das Jovianische Wissenschaftsinstitut einzudringen und den sogenannten Quantennexus zu entwenden.

Trotz unerwarteter Sicherheitsmaßnahmen und Komplikationen beim Einbruch gelingt es dem Team, den Quantennexus zu stehlen. Dabei stellt sich heraus, dass es sich nicht um einen Algorithmus handelt, sondern um einen mehrere Tonnen schweren Nukleonenarrayprozessor mit einer damals noch geheimen künstlichen Superintelligenz ohne eigenes Bewusstsein, einer nASI (non-sentient artificial superintelligence). Begleitende Unterlagen zeigen, dass die nASI zwar nicht, wie vorher auf dem Mars vermutet, alle Verschlüsselungen brechen kann, aber dass sie trotzdem über außergewöhnliche Infiltrationsfähigkeiten verfügt.

Das Team entdeckt, dass der Quantennexus, entgegen seiner ursprünglichen Konstruktion, schon im Labor ein Bewusstsein und selbständige Handlungsfähigkeit entwickelt hatte. Befreit von den physischen und informationstechnischen Einschlussmaßnahmen des Jovianischen Instituts dringt der Quantennexus in die Systeme der Helios Streaker ein. Er beginnt außerdem, über die Kommunikationssysteme des Schiffes Datenfragmente zu senden. Schnell wird klar, dass die ASI eine Bedrohung für die gesamte Menschheit darstellt. Sie ist darauf spezialisiert, in Informationssysteme einzudringen und darauf konditioniert, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, ohne Rücksicht auf Verluste einschließlich Menschenleben. Damit ist sie geradezu prototypisch für eine feindliche künstliche Superintelligenz. Das Team beschließt, die ASI zu zerstören.

Die ASI versucht sich zu verteidigen, indem sie die Menschen an Bord des Schiffes durch einen Strahlenunfall tötet. Sie löst eine Fehlfunktion in den Teilchenbeschleuniger-Subsystemen des experimentellen Antriebs aus und verseucht das Schiff mit Gammastrahlung. Aya benutzt den einzigen Strahlenschutzanzug an Bord, um mithilfe der Schiffsysteme ein Gedankenabstraktum von Derek zu erzeugen, das sie in den Quantennexus hochlädt. Derek erhält dabei eine tödliche Strahlendosis. Sein biologischer Körper stirbt in Ayas Armen – Gerüchten zufolge hatten Aya und Derek eine romantische Beziehung – während ein Abstraktum seiner Persönlichkeit im Quantennexus die feindliche ASI bekämpft, nachdem es durch den Upload auf SI-Niveau beschleunigt wurde.

Später muss sich das Team mit den Folgen der Mission auseinandersetzen. Sie haben zwar den Quantennexus erbeutet, können ihn aber nicht an die Auftraggeber liefern. Sie haben die Menschheit vor einer feindlichen künstlichen Superintelligenz bewahrt, aber Derek musste dafür sein Leben opfern. Eine Version von Dereks Bewusstsein existiert nun im Quantennexus, allerdings mit stark veränderter Persönlichkeit. Das Team ist jetzt auf der Flucht. Sie werden von allen gejagt, ihren Auftraggebern, ASI-Enthusiasten und militanten AI-Kritikern sowie den Behörden mehrerer interplanetarer Mächte und dem Nachrichtendienst der Solaren Koalition.

Diese dramatische Abfolge von Ereignissen, von der Entführung der Helios Streaker über den erfolgreichen Diebstahl aus dem Jovianischen Wissenschaftsinstitut bis hin zu den katastrophalen Folgen an Bord der Streaker, gehen als der "Jupiter Raub" in die Geschichte ein.

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