2491 Multitasking Bewusstsein als Genmodifikation

Eine neue Genmodifikation namens Ikenga erweitert das menschliche Bewusstsein. Menschen können mit Ikenga mehrere parallele Gedankengänge gleichzeitig verfolgen. Man kann sich auf mehr als eine Aufgabe konzentrieren, z.B. ein Gespräch führen und gleichzeitig ein Buch lesen. Der erreichbare Parallelitätsgrad ist von Mensch zu Mensch verschieden. Bei manchen sind bis zu sechs parallele Gedankengänge möglich. Die meisten Menschen mit Ikenga können drei Aufgaben gleichzeitig lösen.

Ikenga ermöglicht echtes Multitasking. Dafür werden einige Bereiche des Gehirns durch die Genmodifikationen mehrfach ausgebildet. Das Spektrum der parallelen Fähigkeiten ist nicht vollständig variabel. Bei der Implementierung wählen Eltern, ob das Kind mehrere mathematische, planerische oder emotionale Prozesse ausführen soll. Kombinationen sind möglich. Typisch ist eine Spezialisierung für eine lernende und zwei planende Aufgaben. Funktionen, die von der Spezifikation der parallelen Implementierung abweichen, sind trotzdem möglich, aber etwas weniger effizient.

Unterbewusste Prozesse laufen weiterhin ab. Ikenga schafft auch Verbindungen zwischen dem parallelisierten Neocortex und der unterbewussten Ebene. Alle parallelisierten Prozesse profitieren von Intuition und Assoziation.

Ikenga hat eine lange Entwicklung hinter sich. Erste Anfänge gehen bis in das 21. Jahrhundert zurück. Praktische Versuche gab es schon im 22. Jahrhundert. Die Fähigkeit war aber sehr lang nicht nebenwirkungsfrei. Es gab fast immer negative Begleiterscheinungen von Persönlichkeitsveränderung bis zu geistiger Instabilität. Echtes Multitasking ohne messbare Ausfälle gibt es erst seit 100 Jahren. Trotzdem war der praktische Nutzen anfangs noch eingeschränkt, weil die Parallelisierung der Verbindung zu anderen Gehirnbereichen unvollständig war. Außerdem gab es vor Ikenga immer einen primären und weitere sekundäre Gedanken. Auch wenn diese echt parallel liefen, waren sie nicht gleichberechtigt.

Ikenga ist so ausgereift, dass Intuition, Gedächtnis, Sensorik, Motorik und viele andere Funktionen gleichberechtigt mit den parallelen Gedanken interagieren. Bei Ikenga verzichtet man erstmals auf den originalen, evolutionär entwickelten, unmodifizierten Primärpfad.

Die Entwicklung war besonders schwierig, weil Multitasking natürlich mit diversen anderen Gen- und Nanomodifikationen am Markt kompatibel sein muss. Man will schließlich nicht auf Assoziationsbooster, Lernoptimierung, schnelle Reifung, Schlafreduktion und vieles andere verzichten, was im 25. Jahrhundert zum Alltag gehört.

Multitaskingfähigkeiten wurden schon vorher für Spezialanwendungen implementiert, aber die Alltagstauglichkeit kommt erst mit der Ikenga-Generation von Multitasking-Genmods. Ikenga kommt zwar als erstes voll ausgereiftes Multitasking-Produkt auf den Markt. Aber an vielen Stellen wird in die gleiche Richtung geforscht. Innerhalb weniger Jahre folgen viele vergleichbare Entwicklungen.

Ikenga wird entwickelt von Mmelite Ewu Labs und vermarktet von Descartes Jiyin. Am Anfang wird Ikenga nur von lizensierten Gensplicern implementiert. Zehn Jahre später ist es aber überall zu haben, wie auch andere vergleichbare Produkte. Descartes Jiyin vermarktet schon früh über mehrere parallele Brands, die verschiedene Zielgruppen ansprechen.

Es gibt hochpreisige Marken, die besondere Qualität und Kundenservice versprechen. Im mittleren Segment konkurrieren mehrere Marken von Descartes Jiyin, die alle auf Ikenga basieren, aber auf unterschiedliche Merkmale fokussieren.

Für den Massenmarkt gibt es Low-Cost Produkte. Man vermutet, dass die Hälfte aller Multitasking-Genmods von Ikenga abgeleitet ist, entweder als lizensiertes Whitelabel-Produkt oder als Raubkopie.

2493 Oumuamua war ein Alien-Artefakt

Im Jahr 2017 durchquerte ein extrasolarer Komet das Sonnensystem. Er kam mit einer so hohen Geschwindigkeit, dass sein Ursprung außerhalb des Sonnensystems sein musste. Das Objekt bekam den Namen Oumuamua. Es wurde erst als interstellarer Asteroid klassifiziert. Später wurde er als Komet eingeordnet, da geringe Änderungen der Trajektorie auf Ausgasungen hindeuteten.

Das wirklich Erstaunliche war seine Form. Die damaligen Astronomen konnten in ihren Teleskopen nur einen Punkt sehen. Aber der Punkt blinkte. Daraus schloss man, dass Oumuamua schnell rotiert. Aus dem Helligkeitsverlauf konnte man berechnen, dass Oumuamua mindestens 5-mal so lang wie breit war, eine Zigarrenform von etwa 250 x 50 x 50 Meter. Die schnelle Rotation sprach für einen massiven Körper, denn bei seiner geringen Gravitation musste das Objekt aus einem massiven Stück bestehen. Sonst wäre es durch die Fliehkräfte längst auseinandergefallen. Leider konnte man das nicht direkt nachprüfen. Für eine Rendezvous-Mission war Oumuamua viel zu schnell. Es gab keine Sonde in der Nähe. Man konnte ihn nicht besuchen.

Spektroskopie zeigte einen hohen Metallanteil. Schon früh gab es Vermutungen, dass Oumuamua künstlichen Ursprungs sein könnte. Radioempfänger wurden ausgerichtet und bei seinem minimalen Erdabstand von 33 Millionen Kilometer hätte man Sender bis zu einem Zehntel Watt empfangen. Aber es gab keine aktiven Emissionen. Oumuamua verschwand schnell wieder in den Tiefen des Alls und geriet in Vergessenheit. Jedes Jahr wuchs der Abstand um fast eine Lichtstunde, für Jahrhunderte.

Im Jahr 2493 ist Oumuamua fast 400 Milliarden Kilometer entfernt. Das sind zwei Lichtwochen oder 2700 AU, 2700-mal so weit von der Sonne, wie die Erde, weit in der Oortschen Wolke. Aber das ist eine Distanz, die experimentelle Antriebe nach dem Raumkrümmer-Prinzip inzwischen schaffen. Eine Expedition macht sich auf, den alten Kometen zu besuchen. Die größte Schwierigkeit liegt nicht darin, den Kometen einzuholen, sondern ihn dann im Zielgebiet aufzuspüren. Richtung und Geschwindigkeit wurden im 21. Jahrhundert genau vermessen. Der Vektor ist ziemlich gut bekannt. Und wenn die Bahn nicht gestört wurde, dann sollte sich Oumuamua in einem Raumvolumen von drei Kubik-AU oder 10 hoch 25 Kubikkilometern befinden. Optisch ist der Komet nicht aufzuspüren. Dort draußen bekommt er Milliarden mal weniger Licht als die Erde und er ist außerdem ziemlich schwarz. Aber mit Radar kann man ihn finden. Die Mission bringt im Zielgebiet mehrere starke Radarsender aus und wartet auf Echos. Nachdem man das mehrmals wiederholt hat, detektiert man ein Signal am Rand des Suchraumes. Die Flugzeit ins Zielgebiet über 2700 AU hatte acht Tage gedauert, die anschließende Suche 40 Tage.

Das Forschungsschiff nähert sich Oumuamua. Endlich kann man das Objekt wirklich in Augenschein nehmen. Man muss es mit Scheinwerfern beleuchten, ein schwarzer Brocken in der Schwärze des Alls. Die Oberfläche ist sehr glatt. Es ist keine Zigarrenform, wie früher angenommen, sondern ein Zylinder. Oumuamua ist eindeutig künstlicher Herkunft. Er ist ein perfekter Zylinder, fast 400 Meter lang und 50 Meter im Durchmesser. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein leerer Treibstofftank. Eine genauere Untersuchung zeigt im Inneren Reste von Wassereis. Das war die Quelle der vor Jahrhunderten vermuteten Ausgasungen. Die Oberfläche hat unzählige Einschläge von Mikrometeoriten und Staub. Eine statistische Analyse der Oberfläche ergibt ein Alter von 150 Millionen Jahren. Oumuamua ist eines der ältesten Produkte einer technischen Zivilisation, die jemals entdeckt wurden.

Das Objekt hat einige kleinere Ausbuchtungen und Halterungen, aber – abgesehen von den Meteoriteneinschlägen – keine Schäden. Oumuamua wurde anscheinend absichtlich freigesetzt und nicht durch einen Unfall abgesprengt. Vor 150 Millionen Jahren war er Teil einer größeren Struktur, einer Raumstation, eines Schiffs oder eines Habitats. Oumuamua diente vermutlich als Wassertank. Nachdem der Tank geleert war, scheint er abgetrennt worden zu sein und ist seitdem auf seiner Trajektorie verblieben.

Oumuamua entfernt sich zwar schnell mit 26 Kilometer pro Sekunde vom Sonnensystem. Aber trotzdem hat er eine ähnliche Umlaufbahn um das galaktische Zentrum, wie unsere Sonne. Die Relativgeschwindigkeit ist klein gegenüber der gemeinsamen Geschwindigkeit um das Zentrum der Milchstraße (ca. 225 km/s). Die Sonne ist selbst auch etwa 20 km/s schneller als die mittlere Geschwindigkeit der Sterne in ihrer Umgebung.

Die aktuelle Relativgeschwindigkeit von Oumuamua zum Sonnensystem bedeutet nicht, dass sich damals eine technische Konstruktion mit 26 km/s Fluchtgeschwindigkeit bewegte. Vielleicht war sie fast in Ruhe gegenüber ihrem Ursprungssystem. Vielleicht gehörte Oumuamua den Bewohnern eines dortigen Oort-Objekts. Seit damals haben sowohl Sol als auch Oumuamua das galaktische Zentrum zu zwei Dritteln umrundet und auf dem Weg durch gravitative Wechselwirkungen mit anderen Sternen immer wieder leicht die Richtung geändert. Die Relativgeschwindigkeit ist nur die Folge eines anderen Richtungsvektors bei im Wesentlichen ähnlicher Geschwindigkeit.

Letztlich ist Oumuamua ein uraltes Stück Schrott, das zufällig das Sonnensystem durchquerte. Astronomen im 21. Jahrhundert mussten annehmen, dass es sich um ein natürliches Objekt handelt. Alles andere wäre als Science-Fiction und als Wunschdenken bezeichnet worden.

Im 21. Jahrhundert wusste man noch nicht, wie weit verbreitet technische Zivilisationen tatsächlich sind, wie lang es sie schon gibt und wie gigantisch ihre Operationen sind im Vergleich zu planetengebundenen Gesellschaften. Moderne technische Zivilisationen haben eine millionenfach höhere industrielle Kapazität als die Erde des 20. Jahrhunderts. In hunderten Millionen Jahren gab es Millionen solcher Zivilisationen. Im Lauf der Zeit haben alle zusammen viele Billionen Billionen Objekte wie Oumuamua hinterlassen. Das ist eine Größenordnung, die schon fast an die Zahl natürlicher Irrläufer in der Galaxie heranreicht.

Es war nur ein Zufall, dass der erste interstellare Besucher ein technisches Relikt war. Viele andere Irrläufer, die später das Solsystem besuchten, waren natürlichen Ursprungs.