2515 Galileo-Boykott

Eine Gruppe von Habitaten bei den inneren Jupitermonden (Galileische Monde) bricht mit der klassischen Wirtschaftsform. Die Galileo-Gruppe wendet sich gegen das vorherrschende System der Kapazitäts- und Reputationsbewertungen (CapRep) und führt eine neutrale Buchwährung ein.

Die Galileo-Gruppe ist wirtschaftlich weitgehend autark. Durch die Nähe zu den großen Monden des Jupiter Systems und zu Jupiter selbst ist die Rohstoffversorgung einfach. Alle wichtigen Basiselemente werden durch Gas-Abbau in der Jupiter-Atmosphäre und automatische Ressource-Extraktion von den vielen Monden gewonnen. Autofabs erzeugen daraus alle nötigen Alltagsgegenstände. Nur Designs und Fabrikationslizenzen werden extern eingekauft. Und genau da liegt das Problem. Viele Designs kommen mit einer Rechteverwaltung. Sie haben Replikationskosten, die in Reputationssystemen beglichen werden.

Die Wirtschaft der Galileo-Gruppe ist traditionell schwach bei Kreativ-Währungen und hat deshalb eine negative Zahlungsbilanz. Aus dem Rohstoffexport gewinnt man zwar hohe Guthaben in diversen Kapazitätssystemen, aber die Cap/Rep-Wechselkurse sind stark zuungunsten Rohstoff exportierender Staaten. Es gibt nie genügend Anbieter wirklich guter Kreativleistungen und Fabdesigns. Vor allem in den Bereichen Technologie und Mode sind Fabrikationslizenzen teuer. Auf der anderen Seite gibt es viele Rohstoffanbieter. Dazu kommt, dass der Rohstoffmarkt sehr regional ist, während Designs quer durch das ganze Sonnensystem gehandelt werden können.

Die Galileo-Gruppe hat über die Jahre einen Rep-Schuldenberg aufgebaut. Seit Jahren können keine Top-Designs mehr benutzt werden. Das betrifft die Verbraucher zwar nur im Modebereich, aber die Menschen bemerken natürlich die Einschränkungen, wenn sie neueste Designs nicht benutzen können. Schlimmer sind die Auswirkungen in der Rohstoffwirtschaft. Die Rohstoffextraktion leidet unter zweitklassiger Ausrüstung. Das lässt inzwischen sogar schon den Export schrumpfen, was sich natürlich auf die Zahlungsbilanz auswirkt. Die öffentliche Meinung ist sehr negativ gegenüber dem Rep-basierten Wirtschaftssystem eingestellt. Die Hephaistos-Krise zehn Jahre zuvor hatte außerdem der solaren Öffentlichkeit die Anfälligkeit des Systems vor Augen geführt. Daraus ist die Mengchu-Bewegung entstanden, die sich vom klassischen Wirtschaftssystem abwenden und sich wieder auf die Bedürfnisse der Menschen konzentrieren will.

Besonders absurd ist in den Augen der Mengchu-Anhänger, dass in einer rohstoffreichen Gesellschaft, die alles in Autofabs herstellen kann, trotzdem Engpässe auftreten, weil man sich die Lizenzen nicht leisten kann. Die Designs sind in den Fabs. Die Rohstoffe sind geladen. Die Fabs sind funktionsbereit. Aber sie arbeiten nicht, weil die Rechtefreigabe fehlt. Es gibt künstlich erzeugten Mangel, obwohl man den Kreativ-Kartellen "ja nichts wegnehmen würde, wenn man von einem Design mehr Teile herstellt".

Die Mengchu-Bewegung beschäftigt sich mit der Umgehung der Rechteverwaltung. Die Behörden der Galileo-Gruppe tolerieren das lange. Nach Sanktionen anderer Systemmächte, Embargos und Reputationsverlust kommt eine Mengchu-geführte Regierung an die Macht. In einem Referendum entscheidet sich die Bevölkerung für einen Ausstieg aus der Reputationswirtschaft. Es wird eine lokale Währung eingeführt, die nur von der Galileo-Gruppe gegen Rohstoffe garantiert wird.

Die Abkopplung von den Märkten führt zeitweise zu Versorgungsengpässen. Aber nach einiger Zeit entsteht eine lokale Design-Industrie, die Design-Importe und externe Designer-Rechte weitgehend überflüssig macht.

2518 Geheime interstellare Mission

Eine Föderation reicher Venus Habitate rüstet insgeheim eine interstellare Expedition aus. Fünf Interstellarschiffe sollen 11 Jahre lang zu einem 80 Lichtjahre entfernten Sonnensystem reisen. Dort hat man schon 100 Jahre zuvor mit Teleskopen große Objekte im interplanetaren Raum entdeckt. Die Mission basiert auf der Annahme, dass in diesem System eine weit fortgeschrittene Zivilisation existiert.

Das Ziel der Mission besteht darin, fortschrittliche Technologie zu erwerben. Die Technologie wäre im Solsystem einzigartig. Man wäre damit allen anderen Fraktionen überlegen und niemand könnte auf absehbare Zeit ähnlich mächtige Technologien erwerben.

Das Projekt läuft unter dem Codenamen Long Shot im Rahmen des Chanakya-Plans. Es wird durchgeführt vom Technologiedienst Ajatashatru und bekommt erhebliche Finanzmittel aus dem Haushalt der Magadha-Sangha Föderation.

Die Expedition ist eine sogenannte High-Risk/High-Reward Mission. Die Auftraggeber und die Teilnehmer gehen hohe Risiken ein. Sie versprechen sich ein Ergebnis, das die Machtverhältnisse im Solsystem zu ihren Gunsten ändern kann.

Bei der Planung der Mission werden potenziell interessante Technologien untersucht. Man erarbeitet einen Katalog von gewünschten disruptiven Technologien. Aber letztlich muss man der Besatzung vertrauen, dass sie die richtigen Technologien aufspürt. Technologien, die aus machtpolitischer Sicht interessant, aber dabei gleichzeitig für die Expedition erreichbar und transportierbar sind. Aufgrund der begrenzten Transportkapazität auf dem Rückflug rechnet man vor allem mit Nano- und Informationstechnologien, bzw. Know-how, z.B.:

- ein sogenanntes Orakel, eine eingeschlossene singuläre KI, die zuverlässige taktische oder strategische Prognosen erstellen und zukünftige Entwicklungen vorhersagen kann.

- Infiltrations- oder Kryptanalyse-Software auf bisher unbekannter physikalischer oder informationstheoretischer Grundlage mit der man in gut geschützte solare Informationssysteme eindringen kann.

- Replikatoren, d.h. Nano-Assembler, die auf atomarer Ebene jedes Gerät in perfekter Qualität konstruieren können. Die besten solaren Autofabs arbeiten auf Basis von sub-Mikron Clustern, sind aber weit entfernt von molekularen oder atomaren Assemblern.

- Baupläne und theoretische Grundlagen für überlegene Energiesysteme, wie katalytische Antimaterieerzeugung oder Vakuumenergie.

- Grundlagen und Produktionsmittel für wesentlich schnellere Überlichttriebwerke, möglicherweise auf Basis von Quanten Black Holes.

Magadha-Sangha geht sehr vorsichtig vor und will neue Machtmittel nicht offen einsetzen. Deshalb sind Waffen und waffenfähige Technologien weniger interessant.

Alle Technologien sind spekulativ. Man weiß nicht, ob sie überhaupt existieren und wenn sie existieren, ob sie für Menschen verfügbar wären. Aber die Grundannahme ist, dass eine Zivilisation mit tausenden Jahren Technologievorsprung viele Alltagstechnologien verwendet, die im Solsystem übermächtig wären.

Die Mission ist riskant. Man rechnet mit einer Erfolgsquote von 1:20.

Die Schiffe sind mit den neuesten Faktor-7 Überlichttriebwerken ausgerüstet. Der Flug dauert 11 Jahre, aber die neuen Triebwerke sind noch nie so lang am Stück gelaufen. Nach der Erfahrung mit den Flügen der Marco Polo nimmt die Expedition sehr viele Triebwerkskomponenten für Reparaturen mit. Zusätzlich ist ein Justierwerk von Dilan an Bord, mit dem man defekte Konverterpole wieder ausrichten kann. Trotzdem rechnet man mit einem Totalausfallrisiko von 50%, jeweils für Hin- und Rückflug. Dazu kommen die Unwägbarkeiten am Zielort. Was wird die Expedition dort vorfinden? Wird sie sich verständigen können? Welche Gefahren lauern dort? Wird es möglich sein, mit den mitgeführten Zahlungsmitteln Technologie zu erwerben?

Die Schiffe sind voll beladen mit Containern. Die Frachtkapazität teilt sich auf in Wohnquartiere und Lebenserhaltung (5%), Proviant (5%), diverse Edelmetalle und Seltene Erden als Zahlungsmittel (20%), Triebwerkskomponenten (30%), Schiffsausrüstung, Autofabs und Material für Reparaturen (40%).

Um Ressourcen zu sparen sind die meisten Teilnehmer Uploads in Mikro-Mechs. Trotzdem reisen fünf Menschen als Bios, weil man befürchtet, dass die Zivilisation am Zielort feindlich gegenüber einer reinen Mech-Besatzung eingestellt sein könnte. Die Menschen reisen in Biostasis.

Nach neun Jahren Vorbereitung verlassen die Schiffe einzeln unter verschiedenen Tarnidentitäten das System. Sie sammeln sich drei Lichttage nördlich der Ekliptik. Dann beginnt die lange Reise.