2466 Auswandererschiff mit Überlichtantrieb

Die Dimitris Tatsopoulos verlässt das Sonnensystem als erstes Auswandererschiff mit Überlichtantrieb. Ziel der Reise ist Luhman 16 in 6 1/2 Lichtjahren Entfernung. Der Flug dauert 35 Jahre. Luhman 16 ist ein System von braunen Zwergen mit mehreren Planeten und Monden. Die Auswanderer sind Survivalisten. Sie befürchten, dass die solare Zivilisation dem Untergang geweiht ist, sobald sie sich anderen Zivilisationen öffnet. Die Survivalisten steuern mit Luhman 16 absichtlich ein unattraktives System ohne bewohnbare Planeten an.

Die Besatzung besteht vollständig aus Uploads in Mikromechs in allen möglichen Formen und Funktionen. Die Mechs sind nicht auf bewohnbare Planeten angewiesen. Sie planen mit der mitgebrachten Ausrüstung Bodenschätze von den Monden des Systems zu extrahieren und eine interplanetare Zivilisation aufzubauen. Dafür führen sie Autofabs mit und eine große Bibliothek von Designs.

Die Dimitris Tatsopoulos fliegt effektiv mit einem Viertel der Lichtgeschwindigkeit. Der Stand der Technik ist 5-mal schneller als die Reisegeschwindigkeit der Dimitris Tatsopoulos. Aber moderne Antriebe können die theoretisch mögliche Maximalgeschwindigkeit nur für kurze Zeit aufrechterhalten. Bei hoher Geschwindigkeit sind die Antriebe sehr fehleranfällig. Überlichttriebwerke sind komplexe und fragile Maschinen. Sie operieren mit hohen Leistungsdichten an der Grenze des technisch Machbaren im Bereich der Energieversorgung, der Raummodulation und bei der Abstimmung der Gerätegeometrie mit Sub-Nanometer Toleranzen. Fliegt man nicht mit der theoretischen Maximalgeschwindigkeit, sondern deutlich langsamer, dann sind die Antriebe weniger belastet und laufen wesentlich länger.

Der Antrieb der Dimitris Tatsopoulos ist optimiert für die geplante Reisegeschwindigkeit. Überlichtantriebe, die 1/4 der Lichtgeschwindigkeit leisten, wie der der Dimitris Tatsopoulos, gibt es schon seit 25 Jahren. Aber erst jetzt ist die Technik so weit fortgeschritten, dass der Antrieb sehr lang durchgehend laufen kann. Die Besatzung der Dimitris Tatsopoulos hat die Hoffnung, den Überlichtantrieb über Jahrzehnte funktionsfähig halten zu können. Das Schiff führt große Mengen an Ersatzteilen und Fabinput mit, um den Antrieb bei Bedarf reparieren können.

2469 Zum 500-jährigen Jubiläum der ersten Mondlandung

Die ersten Aktivitäten der Menschen in den Jahrzehnten "nach Tranquility" waren geprägt durch einige tieffliegende permanent besetzte Raumstationen und gelegentliche Orbitalflüge, angetrieben durch große und teure chemische Raketen. Seit damals hat sich viel geändert.

Inzwischen leben 40 Millionen Menschen dauerhaft im interplanetaren Raum, auf den inneren Planeten und den äußeren Monden. Enge "Konservendosen" sind geräumigen Habitaten gewichen. Laser-Launcher und Linearbeschleuniger bringen Megatonnen Material in den Orbit. Und der orbitale Transfer ist noch viel umfangreicher, denn Erd- und Marsorbit sind sich energetisch – und damit wirtschaftlich – viel näher als die Planetenoberflächen.

Die interplanetare Wirtschaft floriert. Es gibt zwar Spannungen zwischen den Systemmächten, aber keine größeren militärischen Auseinandersetzungen. Die selbstgewählte Isolation der Erde besteht nun mehr als 100 Jahre. Anfangs war das Embargo der Erde dramatisch für Außenposten, Raumstationen und Habitate. Aber die interplanetare Zivilisation hat sich mit der Situation arrangiert. Der anfängliche Schock ist schon lang überwunden. Das Sonnensystem ist von der Erde unabhängig geworden. Die interplanetare Wirtschaft befindet sich in einer langanhaltenden Wachstumsphase.

Im vorangegangenen Jahrzehnt hat die Menschheit zwei große Sprünge nach vorn gemacht. Mit dem sogenannten Egalitätsflug erreichte ein Raumschiff erstmals die einfache Lichtgeschwindigkeit. Die Entwicklung von Überlichtantrieben macht weiter große Fortschritte. Gerade verließ das erste Auswandererschiff mit Raumkrümmerantrieb das Sonnensystem. Nur 42 Jahre später, ein Zeitraum kürzer als zwischen der sechsten und der siebten Mondlandung, wird das erste interstellare Handelsschiff zu den Sternen aufbrechen.

Nicht nur die Raumfahrt hat sich in den 500 Jahren seit Tranquility grundlegend geändert. Die Menschheit selbst hat sich verändert. Die meisten Menschen haben genetische Optimierungen: Assoziationsbooster, IQ-Upgrades und sogar Savant-Aspekte. Nano-Implantate sorgen für erweiterte Sensorik, Konnektivität und Datenspeicherung, 4-Farben-Sehen und mehrere parallele Denkprozesse. Die biologischen Körper sind 150 Jahre lang gesund und danach gibt es perfekte biomechanische Ersatzteile. Im Zeitalter von Mind-Backups ist der finale Tod eher ungewöhnlich, denn man kann als Mech oder in einer Simulation weiterleben. Mit unzähligen Gen- und Nanomods haben sich Menschen an das Leben im Raum angepasst, darunter NullG-Genhacks gegen Kalziumschwund, Nanobot-unterstützte Reparatur von Strahlenschäden, opponierende Zehen an den Füßen für ein Leben in der Schwerelosigkeit. Nicht alle Linien sind genetisch kompatibel. Der Genpool divergiert.

Erde und Sonnensystem haben große politische Umwälzungen erlebt. Es gab Kriege, Krisen, und Katastrophen. Es gab vereinte Weltregierungen und politische Fragmentierung. Die Zivilisation ist zusammengebrochen und wurde wiederaufgebaut. Es gab gewaltige Fortschritte in den Wissenschaften deren Auswirkungen auch das tägliche Leben sehr verändert haben. Durch den Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels hat sich das Antlitz der Erde gewandelt. Aber die Menschen haben sich arrangiert. Und die Technologie hat dabei geholfen. Große Probleme wurden gelöst. Die Meere werden als Wohnraum genutzt. Energie ist günstig und die Erde hat gerade den Turnaround-Punkt erreicht, ab dem sich die Ökologie wieder erholt.

Die interplanetare Zivilisation hat ihre eigene Geschichte geschrieben mit Religionen und Ideologien, militärischen Eroberungen und Wirtschaftskonflikten. Machtzentren sind gekommen und gegangen. Nach der Isolation der Erde dominierte der Mond/L4/L5-Bereich, dann die vereinigten Mars-Kolonien, später das Ganymed-Direktorat und gerade erleben wir die Blüte des äußeren Systems.

Die nächsten 500 Jahre werden genauso viele Veränderungen bringen. Die Menschen strecken ihre Fühler aus in die interstellare Umgebung. Dort bieten sich viele neue Möglichkeiten und existenzielle Gefahren. Das Solsystem geht durch einige schwere Krisen, interstellare Kriege, Besatzung und Befreiung, Sieg und Niederlage. Es ist selbst Aggressor und Opfer von Eroberung. Das Solsystem wird geeint und fragmentiert wieder. Die Menschen besiedeln andere Sonnensysteme. Manche sind so weit entfernt, dass ihre weitere Geschichte unabhängig vom Solsystem verläuft und sie ihren eigenen Weg unter den anderen Völkern finden müssen.

Die Sphäre der Menschen wird multipolar. Andere Zentren entstehen neben dem Solsystem. Und dann wird die neue interstellare Menschheit in die dramatische Entwicklung des lokalen Sektors hineingezogen und muss lernen, dass Stabilität nicht der Normalfall ist.

Buch

Galactic Developments als Buch und eBook für alle, die nicht auf Social Networks aktiv sind oder lieber ein Buch in der Hand haben.